Das Urteil des EuGH in der „Untätigkeitsklage“ des EU-Parlaments gegen den Europäischen Rat betreffend die Herstellung des Binnenmarkts im Verkehrsbereich war 1985 ein Markstein in der Regulierung des Eisenbahnwesens. Mit der Richtlinie 440 aus 1991 wurde die Trennung von Infrastruktur und Verkehrsbetrieb erstmals angeordnet. In der Folge wurde die Rechtsmaterie weiter sophistiziert, ein integrativer, strategischer Entwicklungsansatz für das europäische Bahnsystem blieb jedoch seither nicht erkennbar.
Kompetitive Organisationsmodelle für Eisenbahnen finden sich außerhalb der EU, in Nordamerika was den Güterverkehr angeht, in Ostasien für den Personenverkehr. Ein näherliegendes Beispiel für best practice betreffend Verkehrsdichte am Netz findet sich allenfalls in der Schweiz. Allen gemeinsam ist: Keine institutionelle Trennung von Rad und Schiene.
In der Europäischen Union bleibt das Leitmodell die institutionelle Trennung und die unsubstantiierte Hoffnung auf Verbesserungen durch Wettbewerb. Weitestgehend ausgeblieben sind trotz aller Bemühungen Entwicklungen zu einer echten Europäisierung des Eisenbahnsystems durch Interoperabilität. Praktische Beispiele dafür finden sich zuhauf, gipfelnd in der Nicht-Einheitlichkeit des europäischen Zugsicherungssystems ERTMS.
Verloren ging jedenfalls eine Generation von Eisenbahner:innen, die mittlerweile schon bald ein Berufsleben lang auf Suboptimierungen konditioniert wurden. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht, Not tut eine ehebaldige und intensive innere Einkehr aller relevanten Stakeholder zur Erlangung einer leistungsfähigen europäischen Eisenbahn. In Zeiten der (erzwungenen) Repatriierung von Produktionsleistungen, einer problematischen Demographie und einer latenten Kriegsführung gegen europäische Strukturen ist Eile geboten. Fundierte Wissensvermittlung über die Zusammenhänge am Kontaktpunkt zwischen Rad und Schiene braucht es als Basis dafür.